Fronleichnam 1955
Fronleichnam vor sieben Jahrzehnten
Es gab immer wieder Veränderungen – Zuletzt Verlegung auf Sonntag
Von Erwin Vogl
Am 9.Juni 1955 feierte die Pfarrei Miltach St. Martin das Fronleichnamsfest. An diesem Tag vor 70 Jahren entstand das Foto mit den vier Schulmädchen, die bei der Prozession die Marienstatue mittrugen. In Miltach nannte man das Fest den „Prangertag“, heute ein kaum mehr verwendete Bezeichnung. Das Wort Fronleichnam entstand im frühen Mittelalter, hergeleitet von „vron“ (Herr) und „lichnam“ (lebender Leib des Herrn). Der bewegliche Feiertag wird am zweiten Donnerstag nach Pfingsten begangen. Dem Priestermangel geschuldet, muss die Prozession inzwischen oftmals auf den folgenden Sonntag verlegt werden. So war es heuer auch im Dorf am Regen.
Das Fronleichnamsfest war ein Kirchenfest, in dem die gesamte Dorfbevölkerung in vielfältiger Weise eingebunden war. Die umfangreichen Vorbereitungen begannen schon einige Tage vorher, da sich jeder Hausbesitzer entlang Prozessionsweg die notwendigen jungen Birken besorgen musste. Zudem sollte alles ordentlich aufgeräumt und gekehrt werden, damit man einen guten Eindruck hinterließ. Eine Besonderheit bestand darin, dass manche Anlieger auf dem Straßenabschnitt vor ihrem Haus gemähtes Schilfgras ( mundartlich „Peinschen“) auslegten, das sie sich von einem sumpfigen Gelände am Anger besorgten. Am Prangertag selbst, am zeitigen Morgen, ging es an das Schmücken der Häuser mit Girlanden, Fahnen, Blumen, Heiligenbildern und kleinen Statuen. Sehr dekorativ und festlich waren zusätzlich die gold-roten Fenstertücher.
„Mit dem Umgang geh“
Nach dem Festgottesdienst in der Pfarrkirche unter Mitwirkung des Kirchenchores formierte sich danach ein langer und farbenprächtiger Prozessionszug auf der Kötztinger Straße. Voran die Kirchenfahne, zwei Laternen und ein weiteres Fähnchenpaar. Danach reihten sich die Schulkinder ein, die vor siebzig Jahren vom gestrengen Totengräber Martin Nagl oft mit harschen Worten zur Ordnung gerufen wurden. Mit der Kapelle Frisch hatte man die passende Musikbegleitung für die örtlichen Vereine: die Feuerwehr Miltach, Oberndorf, und Eismannsberg, der Krieger – und Veteranenverein, der Josefiverein und die Marianische Männerkongregation. Es folgte der reich bestickte Baldachin, der „Himmel“, wie er genannt wird. Getragen wurde er von Männern der Kirchenverwaltung, die dieses Amt als Ehrenamt empfanden. Unter dem Traghimmel ging der Ortsgeistliche Georg Samhuber. Am Ende der Beter gingen die übrigen Männer und Frauen, damals noch streng getrennt.
Nach der Kötztinger Straße bogen die Teilnehmer in den Reiterweg ein um danach über die Wiese zum ersten Altar beim Racklschuster zu gelangen. Nach Verlesen des Evangeliums und den Gebeten und Liedern ging es weiter durch den Hof von „Schmiedmichl“ zum „Wieser, der den zweiten Altar stellte. Hier beeindruckten besonders die beiden Figuren. Der dritte Altar war bei der Schlossbrauerei Martin am Dorfende. Der letzte Altar befand sich beim Brunnerwirt, schon in Kirchennähe. Wie schon vorher, rissen sich auch hier die Prozessionsteilnehmer schwache Äste von den aufgestellten Birken, um daraus kleine Kränze zu drehen. Böllerschüsse gab es damals noch nicht, da die Salutkanone erst 1960 angeschafft wurde.
Historische Fotos
Am Schluss des Berichtes sollen die einzelnen Bilder noch etwas genauer beschrieben werden, die Interessantes über Miltachs Vergangenheit vermitteln. Das Foto bei der Kapelle stammt von Willi Holzapfel. Bei den vier jungen Mädchen handelte es sich um Monika Zwerenz (Vogl), Anna Wanninger (Altmann), Gunda Dollinger (Schönberger) und Sieglinde Raab (Nagler). Vermutlich schmückte Die Tragfigur schmückte mit Blumen vermutlich Agnes Dollinger, die in Nähe der Kapelle wohnte. Bemerkenswert ist der gegenüberliegende Hang, der noch völlig frei ist von jeglicher Wohnhausbebauung. Das Nemmerhaus hat sich zum „Prangertag“ festlich herausgeputzt. Kränze, Girlanden, Bilder, Fenstertücher und Birken schmücken die Fassaden. Das Haus mit seinem Anbau verschwand im August 1973 wegen der anstehenden Kirchenerweiterung.
Die beiden Figuren auf ihren Podesten beim Anwesen Alfons Eckl, Maria und einen Engel darstellend, waren sehenswert. Der Überlieferung nach sollen sie aus einem aufgelösten Kloster stammen. Jetzt befindet sich die Figurengruppe im Kreismuseum in Walderbach.