Beitrag zur Bestattung von Gläubigen in früheren Jahren

Vom Aufbleiben, Vorbeten und zum Opfer gehen

Die Beerdigungskultur hat sich seit Kriegsende stark verändert

 

 „Nichts ist beständiger als der Wandel“. Dieser Satz des griechischen Philosophen Heraklit gilt für alle Lebensbereiche und somit auch für alles was mit dem Sterben und dem Begräbnis des Toten zusammenhängt. Dies kann an vielen Beispielen verdeutlicht werden. Früher starben die Menschen in der Regel im häuslichen Umfeld, jetzt ist oft das Krankenhaus oder das Seniorenheim die letzte Lebensstation. Die Veränderungen sind aber auch in anderen Bereichen sichtbar, so bei der Gestaltung der Todesanzeige und des Sterbebildes sowie beim  Ablauf und der Form der Beerdigung. Konnte früher eine „Leich“ mit vielen Trauergästen nicht pompös und aufwendig genug sein, man wollte zeigen was man ist und was man hat, so wird heute dagegen oftmals in aller Stille und im engsten Familienkreis Abschied genommen, wie seit etwa zehn Jahren dem Text in Todesanzeigen in den Tageszeitungen zu entnehmen ist.

 

Im folgenden Beitrag sollen die Unterschiede deutlich gemacht werden, wie sich Abläufe und Formen bei Beerdigungen im Bereich der Pfarrei Miltach seit Ende des Zweiten Weltkrieges veränderten. Nahte das irdische Ableben eines Menschen, so wurde größter Wert darauf gelegt den örtlichen Seelsorger zu verständigen, damit dieser den Sterbenden „versieht“, ihm die Beichte abnimmt und die letzte Ölung spendet. Um 1950 starben im Dorf und seinen umliegenden Bergdörfer die Menschen oftmals noch in ihrer Wohnung, wo sie auch in der Regel bis zum Beerdigungstag aufgebahrt blieben. Nur bei äußerst beengten Wohnverhältnissen kam der Leichnam in die Seelenkapelle bei der Kirche zur Aufbahrung. Das war auch beim Tod von Heimatvertriebenen, die in den zwei Flüchtlingslagern wohnten, die Regel.

 

Die Familienangehörigen zeigten damals noch ein anderes Verhältnis zum Verstorbenen, der entweder in der Wohnstube oder in einer Kammer nebenan lag.  Der Leichnam kam in den vom örtlichen Schreiner Heinrich Ellmann angefertigten Sarg (Totentruhe), der erhöht auf zwei Stühle gestellt wurde. In die erstarrten Hände des Verstorbenen gab man das kleine, schwarze  Sterbekreuz und um seine Hände den Rosenkranz, den er vielleicht schon zur Firmung erhielt oder zur Hochzeit kaufte. Auf einem Tisch nebenan stand die „Versehgarnitur“ mit Kreuz, vier Kerzen und Weihwasserbehältnis. Eine Besonderheit bestand damals in der Farbe des Sarges. Verheiratete erhielten einen braunen Sarg, Kinder, Jünglinge und Jungfrauen, selbst wenn sie 60 Jahre waren, einen weißen.

Das Aufbleiben

 

Trauerbild Miltach    In den folgenden zwei/drei Abenden kamen die engsten Verwandten und Nachbarn dann  ins Trauerhaus zum sog. „Aufbleiben“, das in der Regel nach der Stallarbeit begann. Die Besucher besprengten zuerst den Entschlafenen mit Weihwasser und beteten danach den schmerzhaften Rosenkranz und viele Vaterunser für den Aufgebahrten und auch früher Verstorbene aus der Verwandtschaft. In manchen Häusern war es üblich, erst nach Mitternacht den Rosenkranz zu beten. Nach Aussagen der jetzigen Gewährsleute wurde über das Leben des Entschlafenen gesprochen, aber auch die gesellige Unterhaltung war  keinesfalls unschicklich. Üblich war dabei eine einfache Bewirtung der Gäste mit Brot und Bier. Natürlich gab es unterschiedliche Formen beim „Aufbleiben“ in Bezug auf Familienstand, Wohnungsgröße oder soziale und gesellschaftliche Verhältnisse.

 

Neben den üblichen Besorgungen für das anstehende Begräbnis war die rechtzeitige Benachrichtigung der Öffentlichkeit wichtig. Um 1950 bezogen nur die wenigsten Haushalte im Pfarrbereich eine Tageszeitung. Zur Information der Bevölkerung kam deshalb die „Leichbitterin oder der Leichbitter“ zum Einsatz. Die Person (Frau Feldmann aus Miltach oder Xaver Rackl, Hausname „Wastl“, aus Anzenberg ging von Haus zu Haus und sagte dabei die Einladung, die ungefähr so lautete: „Da Huaberbauer lasst bitten, sein Wei (seiner Frau) am Migga (Mittwoch) um neune vom Haus weg mit der Leich z‘geh“. Für diesen Dienst erhielt die Person ein Fünferl oder Zehnerl pro Haus. Es wird erzählt, dass der „Wastl“ nach der Rückkehr von einer Beerdigung die spaßige Gewohnheit hatte, an das Stubenfenster zu klopfen und seine Frau zu fragen: „Resl, ist niemand verstorben?“

 

Die Beerdigung

Die Beerdigungen vor sechs Jahrzehnten waren grundsätzlich am Vormittag, dabei galt der Grundsatz, dass aus jedem Haus jemand teilnahm. Die Leute gingen aber auch vielfach in die Nachbarorte, wenn man auch nur im Entferntesten verwandt war oder in irgendeiner Beziehung zur Trauerfamilie stand. Im Ortsbereich Miltachs begab sich der Priester mit zwei Ministranten zum Trauerhaus, wo die Aussegnung des Toten erfolgte. Zuvor hatte der Schreiner mit lauten Hammerschlägen den Sargdeckel auf das Unterteil genagelt. Entweder trugen Männer aus der Nachbarschaft oder Vereinskameraden den Sarg zur Kirche, dies war eine Ehrenpflicht. Unmittelbar davor gingen zwei Buben oder Mädchen mit einem kleinen Kreuz und einer Laterne, je nachdem es eine männliche oder weibliche Leiche war. Fehlen durften natürlich keinesfalls die „Vorbeter“, zwei oder drei Männer, die mit einer Art Sprechgesang mehrstimmig den Rosenkranz vorbeteten. Gehörte der Verstorbene einem Verein an,  begleiteten die Mitglieder mit ihrer Fahne den Trauerzug zum Friedhof, der sich damals noch um die Kirche zog. Für die Beerdigung von Kleinkindern war an der Nordseite ein eigener Bereich eingerichtet. Stammte der Verstorbene aus den zur Pfarrei gehörenden Dörfern Anzenberg, Heitzelsberg oder Höhenried, so wurde der Sarg mit einem Pferdefuhrwerk auf holprigen Wegen durch die Zanklgasse in das Dorf gefahren. Beim Anwesen Rabenbauer erwartete dann der Priester den Trauerkondukt. Von hier aus trugen Männer den Sarg auf ihren Schultern zum Friedhof.

 

Libera me, . . . . 

Die Beisetzung erfolgte immer am Vormittag vor dem Totenamt. In seiner Grabrede schilderte der Geistliche den Lebensweg des ehemaligen Pfarrangehörigen, wobei  die besten Charaktereigenschaften genannt wurden. Diese Trauerrede gehörte zum festen Bestand der Bestattungszeremonie. Die Rede wurde öfters gedruckt und später an die Verwandten weitergegeben. Bei finanziell besser gestellten Familien zelebrierte noch ein zweiter Priester an einem Seitenaltar eine stille Beimesse. Das Besondere am Requiem war das „zum Opfergehen“. Dies bestand darin, dass gegen Ende der Messfeier alle Gottesdienstbesucher bankweise nach vorne in das Presbyterium  gingen, den Hochaltar an seiner Rückseite umrundeten und wieder ihre Plätze einnahmen. Für diesen Brauch gab es zwei praktische Gründe. Zum Einen konnten die Verwandten genau sehen wer ihrem Verstorbenen die letzte Ehre erwies, zum anderen erhielt die Kirche das Opfergeld aus den drei Körbchen, die vor dem Hochaltar sowie links und rechts davon aufgestellt waren; hier legten die Leute jeweils fünf oder zehn Pfennige hinein. Bei dieser Gelegenheit wurden auch Sterbebilder ausgegeben, soweit die Verwandtschaft welche drucken ließ.

 

Nicht immer konnte ein Kirchenchor mitwirken, da dieser sowie der Organist meistens aus der Lehrerschaft bestand.  Den gottesdienstlichen Abschluss bildete dann das „Libera“,  zu dem sich der Priester in seinem schwarzen Rauchmantel nochmals an das inzwischen vom Totengräber zugefüllte  Grab begab. Libera me, Domine, de morte aeterna . . . , so das Gebet des Priesters. „Rette mich, Herr, vor dem ewigen Tod an jenem Tage des Schreckens, wo Himmel und Erde wanken, da du kommst, die Welt durch Feuer zu richten“, so die deutsche Übersetzung.

 

Der Leichtrunk bildete den Abschluss der Beerdigungsfeierlichkeiten. Dazu waren die Verwandten, Musiker, Totengräber und Vereinsmitglieder in eines der fünf bestehenden Dorfwirtshäuser eingeladen. Das aufgetischte Essen war damals nicht sehr üppig, in der Regel bestand es aus einer Suppe mit Einlage. Vor dem Essen sprach der teilnehmende Priester zuerst ein Tischgebet, in das alle einstimmten. Ein Trauerfall brachte oft die in alle Winde verstreute Verwandtschaft wieder zusammen und man hatte sich viel zu erzählen. Dass dabei auch mal über den Durst getrunken wurde mag gelegentlich geschehen sein, die Regel war es sicher nicht, obwohl es manchmal so geschildert wird.

 

Die nächsten Verwandten gaben ihre Trauer eine gewisse Zeit öffentlich durch das Trauerband kund, das sie entweder als Armband oder als Schleife am Revers trugen, sofern sie nicht ganz in schwarz gekleidet waren. Die Trauerzeit betrug ein Jahr, solange galt auch ein Tanzverbot für die engsten Angehörigen.  

 

Nach und nach hat sich in der Beerdigungskultur im Dorf enorm viel verändert. Vielfach sind die  Beerdigungen schon städtisch ausgerichtet, Konventionen von früher gelten nicht mehr!

 

Text u. Bilder: Monika u. Erwin Vogl, Miltach

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Veröffentlichung

Mi, 23. November 2016

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